Als Gast bei den Dorfschreibern

 

Am 9. September 2005 war ich (Peter Strnad) auf einem Autorenabend der Dorfschreiber in Peter Landstorfers Theater Gut Nederling in München eingeladen, als Gast etwas zum Besten geben.
 

Neben mir saßen
Barbara Haltmair aus Großhartpenning,
Egon Schäffner aus München,
Hans Lautenbacher aus München
Richard Süßmeier, ebenfalls als Gast,
und die Mittenwalder Sänger.
 

Hier sind meine Beiträge:
 

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Der „Handy-Vogel“ (3’ 20“)
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Den Herrn Schäffner hab i als umgänglichen Nachbarn kennen g’lernt, dem i eigentlich nie zutraut hätt, dass er jemandem was antun möchte. Aber dann hat er meine Frau und mi so mir nix dir nix eines Tages zu am Abend mit de Dorfschreiber eig’ladn - naus zum Forsthaus Wörnbrunn. Und der Saal war g’steckt voll. Und er hat uns am „Poeten-Tisch“ ganz vorn neizwängt. Und dann hab’n drei Männer wunderschön g’sungen. Und alsbald is er auf d’Bühne und hat a G’schicht vorg’lesen - pfeilgrad über uns, seine Nachbarn. Hinterher hat er zu uns g’sagt, er wollt bloß net, „dass’s Es von wem andern hörts, dass i über Eahna a G’schicht g’schriebn hab“. 

Es is über’s Telefonieren gangen. Weil mir immer gern die Ersten sein, die wo a neue Sach ausprobiern, Und weil wir die Ersten war’n, die aa so a Telefon zum Herumtrag’m g’habt ham. Und weil wir damit oft im Garten auf und ab spaziert san und telefoniert ham. Und weil ma halt unser Telefon im Garten oft läut’n g’hört hat.

D’Leut ham g’lacht und mir aa (über uns). Und mir ham später no oft drüber g’schmunzelt. Und mir ham nimmer so laut telefonieret, wenn mir im Garten telefoniert ham. 

Aber mir ham den Herrn Schäffner und alle anderen Nachbarn ang’steckt. Bald ham’s alle so a Gartentelefon g’habt. Und dann is uns was Komisch’s aufg’falln: Unser tragbares Telefon hat öfter klingelt, aa wenn gar niemand dran war. (Hörprobe). Mir ham dann die andern Nachbarn verdächtigt und die uns. Bald hat sich a jeder über die Vieltelefoniererei von de andern g’wundert. 

Dann ham mir in der Zeitung was Umwerfend’s g’lesen: Der beste Sänger in Gärten mit vielen sinvögelfreundlichen Büschen und Bäumen (und neben uns in Nymphenburg is a so a richtige Vogelparadies-Wildnis) ist die winzige grau-braune Mönchsgrasmücke. Die is so klein und grau, dass man sie net immer entdeckt. Sie heißt Mönchsgrasmücke, weil sie über dem grauen Habit a dunkelbraunes bis schwarzes Käppi tragt. Und die kann einen Krach machen!!! B’sonders um viere in der Früh! Und sie kann vor allem oans: Sie kann andere Vögel nachahmen. 

Und dann haben wir’s plötzlich entdeckt. Sie hatte gelernt, unser schnurloses Telefon nachzuahmen. So: (Hörprobe). Und sie hat uns alle oft und oft g’narrt. Wir sind zum Telefon gelaufen und da war niemand dran. Es war der „Handy-Vogel“, die Sylvia atricapilla, wie die Biologen zur Mönchsgrasmücke sagen. Wie wir ihr endlich auf die Schliche kommen sind, haben wir alle herzlich drüber g’lacht. 

Bloß: Was macht der „Handy-Vogel“ mit der neuen Generation von Mobiltelefonen? Die mit dem Mehrstimmigen Sound? So: (Hörprobe). 

Weiß ich nicht. I fürcht’, mit der neuen Generation von Handies ist wohl auch eine neue Generation von Mönchsgrasmücken auf d’Welt kemman.  

Wir werdn’s hören, Wir sind schon neugierig.
 

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„Voipen“ (3’ 40“)
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I hab’s heut mit der Telefoniererei. Mei nächste G’schicht geht nämlich übers „Voipen“ - oder auch: „Wir werden noch bei unseren Enkeln Schlange stehen!“ 

In Amerika und bei uns in Europa sind sie jetzt draufkommen, dass in sehr vielen Haushalten, in Wahrheit in immer mehr Haushalten, die Jüngsten den Kontakt zum Internet übernommen hab’n. Und dass Oma, Opa, Mutti, Vati und die ältesten Geschwister auf die kleineren Familienmitglieder ang’wiesen sind, wenn’s drum geht, im Internet: - s’Wetter nachzuschauen - an Preisvergleich z’machen - oder a Fahrtroute voraus zu planen. In England ham’s festg’stellt: Von den 35- bis 45-jährigen Haushaltsmitgliedern wäre ein Drittel ohne die Infos aus’m Netz „verloren“ -- und dabei sagen sie in den Umfragen fast übereinstimmend, dass sie den Internet-Anschluss doch ursprünglich bloß für d’Kinder installieren ham lassen, die inzwischen zu den wahren Experten geworden sind: 88 % der Volksschulkinder und 95 % der 11- bis 18-Jährigen benutzen nämlich regelmäßig den Anschluss ins Netz und surfen wie wild in der Gegend rum. 

„Wenn i amal was brauch aus’m Internet,“ räumen viele Eltern ein, „dann geh i zum Sohnemann oder zum Töchterl und lass mir’s von denen auf’n Computer zaubern oder - wann’s wichtig ist - sogar ausdrucken. Die können des nämlich.“

Für die älteren Semester unter uns, die an gewissen Ehrgeiz haben, sich also net abhängen lassen woll’n und vor ihre Kinder gut dasteh’n möchten und die ganz lässig sagen können möchten: „Wiss ma scho, is uns scho bekannt“, denen kann i steck’n, dass scho wieder was Nei’s erfunden ham, und des heißt ma „Voipen“ und des is die Eindeutschung von „Voice over Internet Protocol“, auf Deitsch also: Telefoniern übers Internet. „Voipen“ klingt wie Woipertinger. Allerdings mit „V“. Is aa wie a eierlegende Wollmilchsau: Telefonieren und Internet. 

Ihre Stimme werd in Datenpakete zerhackt und über das bestehende Internet „geblasen“. Immer bessere Software sorgt dafür, dass de Pakete in der richtigen Reihenfolge ankommen und ganz schnell aufg’macht und z’sammg’setzt werden, damit Sie den anderen hören können und er Sie, als ob sie mit ihm übers herkömmliche Telefon sprächen. (sprecha täten.)

Theoretisch ohne zusätzliche Kosten (Vieltelefonierer obacht!), wenn beide übers Internet gehen - egal wie weit voneinander entfernt, und sei es in Feldmoching, in Amerika oder in Sibirien. 

Auch wenn Sie jemanden anrufen, der nicht am Computer sitzt, wenn sie den also über sein normales Telefon anklingeln woll’n - für diesen Fall gibt es schon Telefone und Programme, die auch diesen Teil einfacher und preiswerter machen: „Voipen“.

In Zukunft werden die gesamten Telefone über Datenleitungen „gevoipt“, und zwar wesentlich billiger. 

Aber die Neuerung hat auch ihre Nachteile: Wir werden zum Telefonieren unsere Kinder und Enkel brauchen, wir können künftig am Telefon über die also nimmer so herzieh’n, wann’s uns wieder amal g’ärgert ham. Sonst dreh’n die uns einfach den Saft ab, will sagen: schmeißen uns aus dem Internet und aus is mit der Telefoniererei. Man sieht also wieder amal: Kein Vorteil ohne Nachteil.
 

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s’Heimweh  (8’ 20“)
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In Bayern leben heut 12,3 Millionen Menschen. Davon san 1 Million 200 Tausend, also fast zehn Prozent, Ausländer. Und davon wied’rum san  89.418  Österreicher. Des is weit unter oam Prozent.

Und oana davon bin i.

I bin zwar mit am richtigen Münchner Kindl verheiratet – i hob no oans von de letzten derwischt, die wo’s überhaupt no gibt – und mir hom zwoa Kinder, die sie als richtige Münchner fühlen (und bam Fuaßball immer für die 60er schrei’n) - trotzdem, s is ja wohl net verkehrt, wenn i manchmal drauf denk, wo i eigentlich herkumm und wo i hing’hör: 

Erstens: Ursprünglich bin i a Steirer. Heut g’hör i nach Bayern.

Zweitens: Mei Großmutter oba is aus Kärnten in die Steiermark eing’wandert. // San wölche aus Niederbayern do? Ihr sprecht’s das A so schön dunkel aus. „Londshut“ und „Possau“. Da wird mir immer ganz warm ums Herz. Die Kärntner aber, da wo mei Großmutter her is, die haben gar 3 verschiedene A. Horcht’s genau zua:

- „Wossa obi loss’n“.
- Und a bisserl weniga dunkel: „Schlangen fangen gangen“.
- Und wo sie ieberhaupt koa A schreib’n, da sagen sie ein klares und helles A:
  „Saaf’n kaaf’n laaf’n“. Jo die Kärntna, des san so ane!

Drittens: Einer meiner Großväter war a Ungar.

Viertens: Einer meiner Urgroßväter war a Tiroler. 

Mei eigene Red is a Mischung aus Steirisch und Bayerisch. I moan, des vertragt si net schlecht, san doch die Steirer mehrheitlich ausg’wanderte Bajuwaren. Aber i möchte euch gern vorführ’n, wie mei Großvater (mit sei’m komischen Akzent aus Ungarn) bei uns z’haus gred hat (er hat bis zu sein’m Lebensende die Notwendigkeit von „der“, „die“ oder „das“ net eing’sehen, weil ma dös im Ungarischen net braucht. Die kennen nur ein Geschlecht! Mei Liaba!) und i möcht’ euch - auszugsweis aus am Gedichtl, des net von mir is - vorlesen, wie si so die Ungarn die Entstehung der Welt vorstellen: 

Im Anfang war – das ist bestimmt –
DER WORT. Auf Griechisch Logosch.
Im Weltmeer ist herumgeschwimmt
Die Urgetier, das Fogosch.

 (Der Fogosch, zu Deutsch Zander,
  ist der beste Essfisch  Ungarns.)

Gewackelt hat das ganze Welt. -
Daß Wind sie nicht davongeweht,
Hat rechts und links Gott aufgestellt
Zwei dicke, schöne Honvéd.

 (Manche von Ihnen erinnern sich vielleicht noch an die
  Sportmotorrad-Marke Honvéd aus Ungarn. Honvéd,
  das waren die livrierten Wächter vor dem Präsidentenpalast.)

 Dieser Gedicht hot 20 Strophen. I les nur äinige wänige vor.
 Und am Schluss erst den Räffrén. Also: 

Das Adam hat er dann gebaut,
Den alten Hendlfanger,
Was Eva hat gekriegt zur Braut
Auf einem grünen Anger.

 Dazwischen erzählt das Gedicht langatmig von der Sintflut.
 Und dann:

Wie Erde bissel trocken war,
Hat angefangt zu reiten
Held Attila mit Hunnenschar,
Um Kúltur zu verbreiten.

Erst hat gegründet Ungarland,
Dann Rom, Athen és Kreta,
Und alle Menschen, was bekannt,
Sind nachgekommen späta.

Und wenn vier Zigeuner – schon gezähmt
Mit Gäigen sich versammeln,
Man hat sie gleich nach Wien genehmt
Und hat genannt sie „Schrammeln“. 

Wo schöne Kunst sich bettete,
Macht stets Magyar das Lager,
Und Operette rettete
Der ungarische Schlager. 

Räffrén:

Ungarherz muß vieles leiden,
Steht im Hintergrund bescheiden,
Zupft sich kleines Lied auf Zither:
EXTRA  HUNGARIAM  NON  ESCHT  VITA. 

 Aus: Peter Hammerschlag (1905-1941): Der Mond schlug grad
 halb acht, Ungarische Schöpfungsgeschichte 

So pflegt ein Ungar im Exil sein Heimweh: Extra Hungariam non escht vita. I weiß, dass die Bayern von ihrem Heimatland dasselbe behaupten.

So – und jetzt zu mei’m Urgroßvater: I mecht enk von di Tiroler verzählen – und i nimm dazua den Tiroler Akzent von mei’m Urgroßvater – Gott hab ihn selig!  Er war a Notar, a k. und k. Notar, der in der ganzen Monarchie herum versetzt worden ischt. Aber sein Vaterhaus war in der Nähe von Trient, auf dem Weg, den der Bischof von Trient immer zu seiner Sommerresidenz in Cavalese genommen hat und auch heute noch nimmt, in Walsch-Tirol, wie man oft auch g’sagg hat, genau: in Cembra, da wo auf einer Schulter über der engen Avisio-Schlucht heute noch der Rote Porphyr abgebaut wird, aus dem die prachtvollen Böden in so vielen römischen Kirchen bestehen; und woher die ganz b’sonders zottate Cembra-Kiefer stammt; der Dürer hat dort sei schianste Romantik-Burg auf arem unwegsamen Felsen in Öl gemalt und in Kupfer g’stochen. Miasst’s enk amol anschaug’n! 

Ganz Tirol isch ieberhaups aso: Wenn des wo anders, z.B. in Amerika liegen tät, tät dort koa Mensch wohnen, so unbewohnbar isch Tirol frieher amol gwe’n. Bis vor hundert Jahr noch völlig unwegsam! S’meischti nur zu Fuß und ieberall so g’fährliche Klausen, wo man an Kaiser derschlagen kunnt. Aber in Europa wohnen dort Leit!   Leit?   Tiroler eben. I bin sogar a paar Jahr in Tirol in d’Schul gangen. Dort vorn sitzt mei damalige Schulfreundin, die Elfi aus Kufstein. Elfi, i g’frei mi heit b’sonders, dass du da bischt! Jetzt tuat’s los’n, jetzt verzähl i enk zum Schluss noch, wie inser Volksschullehrer in Kufstein ins dort die Schöpfung der Welt und die Entstehung des Landes Tirol verzählt hat.

Also, dös isch ja bekannt, wie der liabe Herrgott sieben Tag lang g’werkelt hat, bis insere Welt so schian und so vuller Bleamln und Bam und Viecher word’n isch. Und nur oan Menschen hat er g’macht. Für’s erschte. Er hat dann scho no an zweiten g’macht, a Wei(b), aber dös wisst’s eh alle. 

Jetzt kimmt’s: Am siebten Tag hat er si a bisserl aufs Ohr g’legg und wollt rasten.—Ja, kaum hab’n des die Engerln g’spannt, sein sie hervor gepurzelt aus dem himmlischen Tor, ham eanere Purzegagerln g’schoss’n, wie mir sogn, und ham a wull’n eppes „schöpfn“. So hab’n sie halt – in ihrem Iebermuat – Stoana aufeinander glegg und Wasser zwischen abi lassen und Schnee und Eis aufg’heift und Sand und Schotter und – was sie halt alles derwuschen hab’n. Dann – wia der Herrgott aufg’wacht isch, hat der die Händ ieberm Kopf z’samm gschlag’n. „Ja mei! Des is ja unmeglich. Wer soll denn da wohnen und leben und Kinder kriag’n?“. - Nachher hat ihm a reuig’s Engerl eingflüstert: „Vielleicht die Tiroler?“ „Ja wia denn“, hat der Herrgott g’sagg. „Da bleibb ins ja koana!“ Aber dann isch eam eppes eing’falln. Er hat an Tiroler g’nommen – wie an Aufziehmandl – so von vorn. Und hat ihm s’Hoamweh ins Herz nei’pflanzt. 

Und dös Modell „Mensch mit eingebautem Heimweh“ isch a guatgehendes Erfolgsmodell g’worden für viele Weltgegenden.

Dank schee, dass mir mit mei’m Heimweh zuag’lost habbs.
 

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