Jože Pleènik (1872-1957): Themen und Würdigung |
Worin besteht eigentlich das Besondere dieses slowenischen Architekten? 1 Jenseits des Mainstreams der Moderne Nach den Versuchen in den 80er Jahren, Pleènik für die Postmoderne zu vereinnahmen, wird er heute allgemein der Moderne zugerechnet. Freilich nicht dem Mainstream der „weisen“, klassischen Moderne, sondern einer höchst individuellen, von den Zwängen der Manifeste unabhängigen Seitenlinie. Innerhalb dieser „alternativen“ Moderne befindet er sich in Gesellschaft von Erik Gunnar Asplund, Alvar Aalto, Josef Frank, Dimitris Pikionis, Hans Döllgast, Antoni Gaudí und anderen, diesen nicht formal ähnlich, sondern geistesverwandt. In Wien wird er zu den führenden Mitbegründern der frühen modernen Architektur gerechnet. Fünf Jahre vor dem berühmten Looshaus am Michaelerplatz ist sein Zacherlhaus das modernste Gebäude der Stadt, an dem sich die Geister scheiden. Es ist seine Ernsthaftigkeit, mit der er Neues sucht, die ihn resistent macht gegen oberflächliche Novitäten und Moden. „So paradox es klingen mag, er nahm die Moderne zu ernst, um sie ein Opfer ihrer eigenen Oberflächlichkeit werden zu lassen.“, attestiert Ihm der große Kenner der österreichischen Architektur Friedrich Achleitner[1]. Eine bedenkenswerte Haltung angesichts des heutigen kurzatmigen medialen Rummels um „Stararchitekturen“. 2 Universalität und Mehrsprachigkeit Ljubljana, Wien, Prag... Natürlich war Pleènik mehrsprachig, nicht nur linguistisch, sondern zwangsläufig auch kulturell und formal. Er hatte in der Provinz und in den Zentren zu tun, war in der Lage, volkstümliche Impulse wie auch solche aus der Hochkultur zu verarbeiten. Diese Mehrsprachigkeit ist bei ihm aber keine frivole Beliebigkeit, sondern gründet in einer kompromisslosen Hinwendung und individuellen Bezugnahme zu jeder Aufgabe, zu jeder Situation, in der Einfühlung in die Denk- und Gefühlswelt der künftigen Nutzer. Als Humanist sucht Pleènik aber auch nach einem verbindlichen Ausdruck für das, was die Menschen verbindet, nach einer humanistischen „Universalsprache“. Dabei wendet er sich den Ursprüngen, den archaischen Quellen der Architektur zu. Es ist auffallend, dass es nicht einfach Antike ist, bei der sich Pleènik die Inspiration holt. Meist ist es Kreta als kultureller Ursprung Europas oder gar Ägypten. In Griechenland ist es oft die vorklassische Architektur. Pleènik sucht in der Antike nicht so sehr die Formen, als vielmehr das Verständnis dafür, wie diese am Beginn der Architektur entstanden sind, und entwickelt dann seine Formen aus den archaischen Ursprüngen neu, so wie es sie noch nie gegeben hat. Er entwirft suchend, leidend und sich quälend, wie der erste Baumeister überhaupt. Dieses back to the roots macht ihn resistent und unabhängig von den wechselnden architektonischen Moden. Jenseits der zeitbedingten Versuchung einer Nationalarchitektur entwickelt er so eine „individuelle Universalsprache“, oder eine „Universalsprache von unten“, wie Friedrich Achleitner sagt, „die näher am ‚Volk’ ist ... (die) das imperialistische Gehabe ablehnt und das Verbindende aller Kulturen sucht, ...“[2] Pleènik’s Universalität, wie auch seine Mehrsprachigkeit, gründet in einem Humanismus, der den konkreten Menschen und das allgemein Menschliche gleichermaßen im Blick hat. Diese Balance ist gerade heute im vereinten Europa aktueller denn je. 3 Zur Ehre Gottes
Sicherlich darf man
Pleènik
als tiefgläubig bezeichnen, gleichzeitig pflegte er aber eine durchaus
kritische Distanz zu den hierarchischen Strukturen der Kirche. Obwohl sein
älterer Bruder Andrej Priester war, vertrat er selber vermutlich eine
selbstbewusstere, „demokratischere“ Art der Religiosität, die nicht zwingend
auf eine Vermittlerrolle des Priesters angewiesen war. Anders ist seine
lebenslange Bemühung um die „breite“ Kirche kaum zu verstehen. Fast alle von
ihm neuentworfenen Kirchen sind diesem Typus zuzuordnen, ihr Grundriss ist
annähernd quadratisch oder sogar zum Altar hin breit gelagert. Ordnet sich
in der „langen“ Weg-Kirche die Gemeinde zu einer Prozession, die der
Priester anführt, so tritt bei der breiten Kirche das Gottesvolk
„gleichberechtigt“ in einer breiten Reihe vor den Altar. Die Glieder sind
untereinander gleich und letztlich kann man sich auch den „Vorsteher“ als
Teil dieser Reihe vorstellen. So entsteht fast ein „demokratisches“ Bild des
Volkes Gottes, oder doch wenigstens das einer „mündigen“ Christengemeinde.
In jedem Fall ermöglicht die breite Kirche eine unmittelbarere Teilhabe am
liturgischen Geschehen. Lange vor dem 2. Vatikanischen Konzil werden hier
die liturgischen Reformen baulich vorweggenommen. 4 Für das Volk In Wien befördert Pleènik den Durchbruch zur Moderne, die Prager Burg baut er zum Symbol des demokratischen Staates um und doch, sein Herz gehört seiner slowenischen Heimat. Dort sieht sich Pleènik als Hohepriester der Kunst, als „Erzieher“ des Volkes, dem er seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss. Und es gelingt ihm in der Tat, zumindest in der Hauptstadt Ljubljana, als Identitätsstifter, als „nation builder“ nachhaltige Spuren zu hinterlassen. Sein humanistischer Stadtumbau wird heute zu recht als „Pleènikova Ljubljana“ bezeichnet. Er gestaltet viele Plätze, Parks, Uferverbauungen und unzählige, auch unscheinbare räumliche Situationen, baut Brücken, Markthallen, viele private und öffentliche Gebäude, darunter die Nationalbibliothek, das Stadion und Žale, die Aussegnungshallen am Friedhof. Mit der Umgestaltung der Römischen Mauer holt er die zweitausendjährige Geschichte der Stadt ins Bewusstsein ihrer Bürger zurück. So stiftet er bis heute der Res publica ein wiedererkennbares und auf das Gemeinwohl bedachtes Gesicht von hoher Qualität. 5 Concinnitas oder Architektur im Dialog mit dem Ort Pleènik entwickelt seine Architekturen immer im Dialog mit dem Ort. Das sensible Lauschen und Hineinschauen in das Wesen des Ortes ist eine der konstanten und entscheidenden Quellen seiner Architektur. Sein gesamtes Opus ist ein Lehrbuch an kontextuellen Themen und Strategien.[3] Eine elementar kontextuelle Haltung zeigt sich bereits in der Entscheidung, Bestehendes zu erhalten und baulich ins Neue einzubinden, anstatt es abzureißen. Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch die Entwürfe bei fast allen seinen sakralen Bauten und Projekten. In wörtlicher Anwendung der Semper’schen Bekleidungstheorie verkleidet Pleènik oft (oder umhüllt mit Raumschichten) einen bestehenden Bau. Indem dabei kreativer Bezug auf den Bestand genommen wird, ist dies ebenfalls als eine kontextuelle Strategie zu werten. Manchmal greift Pleènik Architekturelemente der Umgebung auf, um im Vordergrund auf verwandte Elemente des Hintergrundes zu verweisen. Auf diese Weise kommuniziert er von den südlichen Gärten der Prager Burg aus mit dem Panorama der Stadt und ähnlich verfährt er auch bei stadträumlichen Arbeiten in Ljubljana. Und natürlich wendet er auch die klassische Methode des Verwebens des neuen Eingriffs mit dem Ort durch geometrische Netze, Systeme oder Sichtbezüge an. Mit dem zum Entwurfsprinzip erhobenen Ortsbezug ist Pleènik in der frühen Moderne eher eine Ausnahme, steht aber andererseits in der Tradition der concinnitas universarium partium, der von dem Renaissancetheoretiker Leon Battista Alberti formulierten Maxime von der Harmonie und Einheit aller Teile, die natürlich auch Elemente des Ortes einschließt. Diese in der Moderne vernachlässigte Tugend der Bauprofession ist heute notwendiger denn je, ermöglicht sie doch, die oft schmerzliche, aber unausweichliche Modernisierung der Lebenswelten durch die Kontinuität des Bauens den Menschen annehmbar und die Geschichtlichkeit unserer Existenz anschaulich zu machen. Tomáš Valena
Tomáš
Valena unterrichtet Entwerfen und Städtebau an der Hochschule München.
Forschung u.a. zu Ortsbezug der Architektur, Jože Pleènik, Städtebauliche
Utopien.
[1]
Friedrich Achleitner, Josef Pleènik
–
ein
Architekt der Zukunft?
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